DesignBuild
DesignBuild steht für die synergetische Verknüpfung von theoretischer Gestaltung und gebauter Praxis. Der Begriff beschreibt einen umfassenden Prozess: von der Ausarbeitung einer Idee über die Ausführungsplanung bis hin zur tatsächlichen Umsetzung im Realmaßstab. DesignBuild hat seinen Ursprung in der Bauindustrie als ein Projektabwicklungssystem, bei dem sowohl die Planungs- als auch die Bauleistungen von einem einzigen Unternehmen erbracht werden.
Ab den 1970er Jahren wurde mit DesignBuild das Tätigkeitsfeld von Generalunternehmen beschrieben, welche als Planende und Ausführende, teilweise auch Entwickelnde agierten. In der Lehre wurde der Begriff vermutlich erstmals in den 1970er Jahren in England verwendet, nachdem man ähnliche Formate bereits ab den 1950er Jahren als „Live Projects“ betitelt hatte. Im deutschsprachigen Raum war ab den 1990er Jahren von „Praxisprojekten“ oder „1:1“ die Rede. Mit Beginn der 2000er setzte sich der Begriff DesignBuild insbesondere durch inter- national agierende Netzwerke durch.
Architekturausbildung
In der Architekturausbildung gewinnt das Konzept DesignBuild immer mehr an Bedeutung. Diese Webseite möchte eine Brücke schlagen zwischen dem theoretischen Verständnis von DesignBuild in der Architekturausbildung und bisherigen Publikationen zum Thema, die sich zumeist auf die Darstellung einzelner konkreter Projekte beschränken. Wir zeichnen nach, wie Studierende von individuellen Entwürfen zu einem umgesetzten Bauwerk kommen und Lehrende ein solches Vorhaben anleiten.
Die Planung und Realisierung von Architekturprojekten ist eine komplexe Disziplin, die eine Vielzahl von Fähigkeiten, Kenntnissen und ein besonderes strategisches Denken erfordert. Dazu gehören nicht nur umfassende Entwurfs- und Gestaltungskompetenzen, sondern auch Kenntnisse über Materialien, Konstruktionsformen, Nachhaltigkeitskonzepte, Bauprozesse und gesellschaftsrelevante Aspekte. Die Lehrmethode DesignBuild vermittelt diese Fähigkeiten und Kenntnisse auf realitätsnahe Weise durch die Verbindung von gestaltendem Entwurf und praktischer Umsetzung einer Architektur durch Studierende.
Interdisziplinarität
Die Realisierung eines DesignBuild-Projekts stellt die studentische Planungsgruppe und deren Betreuende vor eine Vielzahl an Herausforderungen, die nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit zu bewältigen sind. Einen Mehrwert bedeutet die Beteiligung von Personen aus dem sozialen und kulturellen Bereich. Die verschiedenen Disziplinen lernen voneinander und entwickeln ein Gespür konstruktive, gestalterische, architektonische, künstlerische und soziokulturelle Aspekte.
Neben der Betreuung von projektinternen Studierenden kommt auch der Koordination von externen Partner:innen eine besondere Bedeutung zu. Überschreitet das Projekt ein bestimmtes Volumen und soll es außerhalb des Campus errichtet werden, sind planungsrechtliche Aspekte zu bedenken, etwa die Einreichung von Baugesuchen oder statischen Berechnungen. Es empfiehlt sich, diese Leistungen in die Hände externe Kompetenzen zu übergeben. Hierbei erfolgt eine intensive Kommunikation mit Beteiligten auf lokaler Ebene. Diese Art der Partizipation beruht auf einem Entgegenkommen aller Beteiligten.
Vision
In der Gesellschaft wirksame DesignBuild-Projekte beruhen auf einer Vision, die von externen Personen formuliert werden, die als Vernetzende an die Projektgruppe herantreten. Ziel ist die Lösung eines organisatorischen Problems mithilfe eines baulichen Objekts. Kriterien für die Projektauswahl sind die zeitliche Umsetzbarkeit, das Reizvolle im Entwurf für die Studierenden, die Erreichbarkeit der Lernziele, vorhandene finanzielle Ressourcen sowie das Engagement der zukünftigen Nutzenden. In erster Linie geht es bei einem DesignBuild-Projekt darum, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, den Prozess des Architekturschaffens in Gänze zu erleben und zugleich ein baulich dauerhaftes Objekt zu entwerfen, das gebraucht und geschätzt wird. Dieser übergeordnete Zweck steckt auch im zusammengesetzten Begriff, der das Entwerfen und das Bauen vereint: DesignBuild.
Von der Idee zum Objekt
Studierende entwickeln eine architektonische Idee, detaillieren diese, beschaffen Materialien, arbeiten mit entsprechenden Werkzeugen und erstellen den Großteil der zur Errichtung notwendigen Bauteile. Der Umfang studentischer Realisierungsprojekte orientiert sich am begrenzten Zeitrahmen eines Semesters und zeichnet sich durch einen ausgewählten Materialkanon sowie reduzierte Detaillierungen aus. DesignBuild-Projekte helfen den Studierenden, sich besser in der späteren beruflichen Praxis zurechtzufinden und geeignete Lösungen für neuartige und interdisziplinäre Problemstellungen zu erarbeiten.
Studentische Mitarbeit
Zur Realisierung eines DesignBuild-Projekts bedarf es einer transparenten Kommunikation und klaren Strategie. Häufig besitzen die Studierenden wertvolle Qualifikationen in für das Projekt nützlichen Bereichen. Neben handwerklichem Geschick und Erfahrung sind hier vor allem soziale Kompetenzen zu nennen, die sich positiv auf die Gruppe auswirken können. Einige Studierende besitzen die Gabe des allumfassenden Überblicks über die Situation und sind deshalb gut dafür geeignet, Projektabläufe zu steuern. Andere sind in der Lage, problemfrei in die Höhe zu klettern, und sind des- halb prädestiniert für die Arbeit auf dem Gerüst. In einer heterogen zusammengesetzten Gruppe schlummert also eine Menge an Potenzial.
Ein Ziel
Studierende avancieren von vormals ausschließlich planenden zu handwerklich ausführenden und endscheidenden Personen.
Sie können eine Idee von der konzeptionellen Entwicklung bis zur Ausführung nachvollziehen und erlangen so ein Verständnis für die häufig unterschätzte Komplexität des Bauprozesses. Sie werden für das Projektmanagement, die Zusammen- arbeit mit ausführenden Firmen und Auftraggebenden sowie reale Zwänge sensibilisiert, während zugleich eine Begeisterung für das Handwerk geschaffen werden soll. Für die Nutzenden entsteht so ein gesellschaftlicher Mehrwert in Form eines Bauwerks für soziale, kulturelle oder sportliche Aktivitäten. Neben den didaktischen Ansprüchen an die Hochschullehre sollen ideelle gesellschaftliche Impulse gesetzt werden.
Zwei Kategorien
DesignBuild-Projekte können einerseits temporäre Objekte sein, die innerhalb eines Semesters errichtet werden und für wenige Wochen oder Monate eine Nutzung erfahren. Dabei ist höchstens eine partielle Nachnutzung von Elementen und Materialien möglich. Andererseits kann es sich um bauliche Interventionen handeln, die dauerhaft genutzt werden und sich bestenfalls im ländlichen Raum befinden.
Die Projekte sind nicht ausschließlich prozess-, sondern ebenso ergebnisorientiert. Die Studierenden lernen, eine gestalterische Haltung einzunehmen und diese auch baulich umzusetzen. Eine kostengünstige, ökologische und nachhaltige Architektur ist dabei anzustreben, wobei die Verwendung nachwach- sender, regionaler und rezyklierbarer Rohstoffe im Fokus steht.
Drei Phasen
Ein DesignBuild-Projekt ist in drei aufeinander folgende Projektphasen gegliedert: Entwurf (Phase Eins), Detaillierung (Phase Zwei) und Umsetzung (Phase Drei). Bei der Einbettung in die Architekturausbildung richten sich die Phasen nach den curricularen Struktu- ren und orientieren sich an einem Se- mester mit 14 Wochen. Hierbei ist vorrangig das Sommersemester gemeint, welches aufgrund der wärmeren Temperaturen die Auslagerung von Bautätigkeiten in den Außenraum erlaubt. Projekte in Wintersemestern sind möglich, sofern entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.
Während jeder der drei Phasen führen die Lehrenden die übergeordnete Kommunikation durch, koordinieren Verpflegung und Unterbringung der Studierenden während der Bauzeit, kommunizieren mit den Auftraggebenden und versuchen zukünftige Nutzende direkt oder über die Vernetzenden zu integrieren.
Der Ablauf im Semester
Phase Eins: Entwurf
Innerhalb der ersten vier Wochen fertigen die Studierenden Entwürfe in Einzelarbeit oder in Zweier-Teams an. Die Ergebnisse werden nach verhältnismäßig kurzer Zeit im Rah- men eines ersten hochschulinternen Wettbewerbs präsentiert. Ziel dieser ersten Phase ist es, drei konzeptionell starke Entwürfe, die ökonomisch und konstruktiv umsetzbar sind, auszuwählen. Die Entscheidung wird im Rahmen eines Präsentationsverfahrens getroffen, das wie ein klassischer Architekturwettbewerb organisiert ist: Die Studierenden erarbeiten Konzepte und präsentieren diese mit Plänen und Modellen vor einer Jury, die sich aus Lehrenden der Professur sowie Gastkritiker:innen zusammensetzt. Bei der Wahl des zu realisierenden Entwurfs im Sommersemester 2023 waren auch Studierende aus dem vorangegangenen Sommer als Jurymitglieder zugelassen, da sie durch ihre projektbezogene Expertise zu Fachpreisrichter:innen avancierten. Weitere Unterstützende treten erst in späteren Phasen auf.
Phase Zwei: Detaillierung
Nach dem Wettbewerbsrundgang werden die drei finalen Projekte von neu zusammengesetzten Gruppen ausgearbeitet und detailliert. Hier geht es darum, baukonstruktive Lösungen zu finden, Details zu entwickeln, eine Materialwahl zu treffen, Verfügbarkeiten zu prüfen und erste Finanzpläne zu erstellen. Die Partizipation und Integration von begleitenden Personen beim Entscheidungsprozess ist elementar für die Aneignung des Objekts durch die Gesellschaft. Zugleich lernen die Studierenden, vor potenziellen Bauherr:innen und einer breiten Öffentlichkeit ihre Konzepte zu präsentieren. Zudem werden die Studierenden mit allen organisatorischen Prozessen betraut, wie dem Einholen von Angeboten, der Kommunikation mit Firmen, der vorbereitenden Or- ganisation der Baustelle, der Planung von Arbeitsschritten und Abläufen, der Erstellung von Zeitplänen oder der Benutzung von Maschinen.
Phase Drei: Umsetzung
In den verbleibenden sieben Wochen findet die Herstellung des Gebäudes statt. Die bisher in Entwurfsteams organisierten Gruppen bilden nun eine Gesamtgruppe. Diese besteht aus allen Entwurfsteilnehmenden, die gemeinschaftlich das Ziel der Detailplanung und Umsetzung des DesignBuild-Projekts verfolgen. Dafür werden neue, nach Bauteilen und Elementen zusammengesetzte Kleingruppen gebildet.
Praxisorientierte Architekturlehre
Die Gestaltung eines Bauwerks mit all seinen architektonischen Facetten wird in Entwurfsprojekten trainiert, doch es mangelt an Interaktion mit potenziellen Auftraggebenden, Fachplanenden oder anderen Beteiligten. Dadurch bleiben den zukünftigen Architekturschaffenden wichtige Schritte der Genese eines Architekturentwurfs verborgen. Die Lehrmethode DesignBuild schlägt eine Brücke vom theoretischen Entwurf zur realen Praxis und ermutigt Studierende, ihre eigenen Entwurfsideen im Maßstab 1:1 umzusetzen.
Diese Objekte interagieren mit den Orten, an denen sie auf interdisziplinäre und partizipative Weise entstehen, und schaffen so eine wichtige soziokulturelle Verbindung zwischen nutzender Gesellschaft, lehrender Hochschule und gebautem Objekt.
Diese praxisorientierte Architekturlehre bereichert das studentische Curriculum ungemein und schafft eine Sensibilität gegenüber dem Handwerk, den kom- plexen Prozessen auf einer Baustelle und den vielen Beteiligten, die bei der Erstellung eines Bauwerks mitwirken.
Rollenverständnis
Die in DesignBuild-Projekten aktiven Gruppen bestehen aus einem Kernteam, das sich zusammensetzt aus Studierenden – also angehenden Architekturschaffenden, die zugleich auch Bauausführende sind – und Lehrenden der Hochschule, sowie aus Vernetzenden, welche die Projektidee entwickeln und die Verbindung zur Hochschule herstellen, den zukünftigen Nutzenden, welche die Rolle der Bauherr:innenvertretung einnehmen, und weiteren Unterstützenden, die das Projekt und dessen Zielerreichung fördern.
Hierbei ist darauf zu achten, dass diese quasi kostenfreie Gestaltungsleistung im Rahmen der DesignBuild-Projekte nicht den Arbeitsmarkt freischaffender Architekt:innen untergräbt. Im Hinblick auf eventuelle Haftungsfragen sind die Ziele von DesignBuild-Projekten klar abzustecken und mit Kooperationsverträgen abzusichern.
Learning outcomes
Die Untersuchung dieser Fähigkeiten in quantitativer und qualitativer Hinsicht hält nun verstärkt Einzug in der Forschung, wobei der Fokus besonders auf der Effizienz des Konzepts liegt. Weitere Studien sind den zu erreichenden Lernergebnissen (engl. Learning Outcomes) gewidmet und umfassen dabei ein breites Spektrum, beispielsweise die Definition verschiedener Entwurfslösungen für tatsächliche Herausforderungen am Bau, das Aneignen von Zeitmanagementfähigkeiten, das Training der visuellen Wahrnehmung im Raum, den gesellschaftlichen Wert von Realisierungsprojekten im sozialen Kontext oder die gemeinsame Lernarbeit in Gruppen. Dieses auch als Peer-Learning bezeichnete Vorgehen ist eines der wichtigsten pädagogischen Ergebnisse im Zusammenhang mit DesignBuild-Projekten.
Die Studierenden erkennen, dass sie kein ausgeprägtes Fachwissen in allen Bereichen mitbringen müssen, sondern in einem interdisziplinären Team vielfältige Erfahrungen sammeln und so bessere Ergebnisse erzielen können.